Dr. Andreas Nauerz

Für technologischen Fortschritt. Für ein sozio-ökonomisches Gleichgewicht und gemeinsamen Klimaschutz.

Andreas Nauerz liebt digitale Innovationen. Vor allem dann, wenn sie dazu beitragen, die Welt besser zu machen. Deshalb denkt er immer über den Tellerrand hinaus. Indem er sein eigenes Wirken und Handeln bei der Robert Bosch GmbH immer auch in einen globalen Kontext setzt. Indem er die Entwicklungen in unserer Welt kontinuierlich beobachtet. Und indem er Verantwortung übernimmt. Weltweit und lokal. Denn dort beginnt sein herausragendes Engagement: als Mentor bei arbeiterkind.de.

Andreas Nauerz ist Digitalisierungsexperte. So trägt er dazu bei, Bosch zu einem erfolgreichen Software-Unternehmen zu formen. Er ist davon überzeugt, dass die größte Chance im technologischen Fortschritt liegt. Weil virtuelle Welten das Potenzial haben, komplexe Vorgänge über Simulation zu visualisieren, zu verstehen und besser vorherzusagen. Dazu gehören vor allem künftige klimatische Veränderungen, die unser Leben prägen werden. Deshalb fördert er das Expertentum und unterstützt Menschen dabei, sich selbst neu zu erfinden – für eine bessere Welt.

Für Andreas Nauerz ist unbegrenztes Wachstum auf einem begrenzten Planeten nicht nachhaltig. Wirtschaftswachstum als Maß aller Dinge funktioniert also nicht mehr. Die Qualitative Ökonomie ist für ihn der bessere Weg. Mit dem Fokus auf sozialer Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Für ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und sozial-ökologischer Balance. Für diese Transformation setzt er sich leidenschaftlich ein – im Beruf und privat. Das zeichnet ihn als Führungspersönlichkeit besonders aus.

Ein Kurzinterview. Über eine stabile Weltgemeinschaft und die entscheidende Rolle von IT- und Digitaltechnologien für unsere Zukunft.

Wie sehen Sie die Welt im Jahr 2050, und was wünschen Sie sich?

Heute liegen Herausforderungen hinter und vor uns – gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich. Und doch mangelt es an einem Zusammenrücken der Menschen, um diese Herausforderungen der Zeit erfolgreich gemeinsam anpacken und bewältigen zu können.

Stattdessen erleben wir derzeit eine Gefährdung freiheitlicher Grundprinzipien durch autokratische Machthaber und Systeme. Wir sehen eine zunehmende Politikmüdigkeit und sinkendes Vertrauen in Demokratien, die es in einer stetig komplexer werdenden Welt fortwährend schwerer hat, Probleme demokratisch und rasch zu lösen. In der Folge gewinnen Parteien des linken und rechten Flügels zunehmend an Zuspruch – weltweit. Zeitgleich erstarken Oligarchien, was auch zu einem Verlust sozialer Hoffnung, zu einer immer stärkeren Abschottung (der „Reichen“) und mehr Isolation führt.

Leider fürchte ich, dass die heutigen und kommenden Technologien und die fortschreitende Virtualisierung uns Menschen sogar noch weiter voneinander entfernen und die zunehmende Anonymisierung stärker vorantreiben könnte. Dass der Zugang zur unendlichen Flut von Informationen und Wissen mehr denn je einer kleinen Elite vorbehalten sein könnte. Und dass die Wirtschaft möglicherweise irgendwann von wenigen Big Playern mit ausreichend Ressourcen zur Nutzung modernster Technologien dominiert wird.

In diesem Kontext sehe ich neben den offensichtlichen Themen wie der Klimakrise auch ganze neue, technologisch bedingte, disruptive und sich rasant entwickelnde Herausforderungen auf uns zukommen: So kann Künstliche Intelligenz soziale Ungerechtigkeiten durch ungleichem Zugang, algorithmische Diskriminierung und soziale Selektion weiter befeuern oder sogar dafür missbraucht werden, um Deepfakes zu generieren, die höchstgefährlich und sich als Waffen rasant über soziale Medien verbreitend eingesetzt werden können.

Doch mit dem Blick auf das Jahr 2050 möchte lieber Optimist sein und mir eine Welt wünschen, in der die Menschheit aufgrund existenzbedrohender Entwicklungen doch zusammengerückt ist. Eine Welt, in der sich freiheitlich-demokratische Werte durchgesetzt haben und das gemeinschaftliche Sichern unseres Überlebens trotz – oder gerade wegen – all unserer kulturellen Unterschiede in den Fokus gerückt ist. Eine Welt, in der autokratische Systeme keinen Platz mehr haben. Geprägt von einer stabileren Weltgemeinschaft ohne Kriege, in der wir ein zuvor noch nie dagewesenes sozioökonomisches Gleichgewicht erreicht haben. In der unsere Ressourcen fair verteilt sind und kein Mensch mehr Hunger leiden muss. In der alle Menschen gleichermaßen Zugang zu Bildung haben. Und in der wir den Anstieg von Temperaturen und Meeresspiegeln sowie eine weitere Zunahme von Naturkatastrophen und die Zerstörung von Lebensraum und Biodiversität erfolgreich gestoppt haben.

Mein Wunsch wäre also eine Welt, in der wir endlich in der Lage sind, gemeinschaftlich den Klimawandel zu bekämpfen und dessen Fortschreiten zu verhindern. Und zwar indem wir den technologischen Fortschritt nutzen, um neuere, heute noch unbekannte, vielleicht sogar undenkbare Entwicklungen dafür zu nutzen. Dafür reicht das Wünschen allein nicht – wir müssen handeln.

Warum macht die Zukunft ein anderes Wirtschaften notwendig?

(Wirtschafts-)Wachstum als wesentliche Grundlage unseres heutigen Wohlstands wird nichts mehr wert sein, sollten wir unsere großen Probleme der Zukunft nicht lösen. Dazu zählt allem voran der Klimawandel. Steigende Temperaturen und damit einhergehend ein steigender Meeresspiegel sowie zunehmend verheerende Naturkatastrophen werden Zerstörung von Lebensraum und Hunger nach sich ziehen, durch die das Leben auf der Erde mit dem heutigen nicht mehr vergleichbar sein wird. Ganze Ökosysteme werden sich verändern und die Tier- und Pflanzenwelt auf dem gesamten Planeten gefährden. Gesundheitsrisiken, wie die Zunahme von hitzebedingten Krankheiten, die Ausbreitung von Krankheitserregern und die Verschlechterung der Luftqualität, werden zunehmen. Weite Teile der Erde werden für Millionen von Menschen unbewohnbar werden, was Migration und Flüchtlingsbewegungen weiter anfachen wird.

Dies alles wird letztlich Katalysator für zunehmende politische Spannungen und Auseinandersetzungen sowie fortschreitende sozioökonomische Ungleichheiten. Schon heute stellen regionale Instabilitäten, internationale Konflikte, Terrorismus und der besorgniserregende Aufstieg von Populismus und Autoritarismus in einigen Teilen der Welt enorme Bedrohungen dar. Ergo gilt es, neben dem Klimawandel vor allem auch Ressourcenknappheit und Hunger zu bekämpfen.

Leider zeigen die vergangenen Jahre jedoch, dass uns als Weltgemeinschaft ein Umdenken hin zu mehr Umweltbewusstsein kaum gelingt – zu groß sind die Unterschiede im Problembewusstsein, insbesondere aber auch beim Wohlstand und der Frage, wer sich wie viel Klimaschutz überhaupt leisten kann. Außerdem sind vermeintlich weit entfernte künftige Probleme für Menschen schlichtweg zu wenig greifbar: Ihre akuten Herausforderungen im Hier und Jetzt stehen immer im Vordergrund, was ein Umdenken zusätzlich verhindert. Hinzu kommt, dass die Unterschiede zwischen reicheren Industrieländern und aufstrebenden Drittländern ein abgestimmtes gemeinsames Handeln nahezu unmöglich machen. Doch genau dies bräuchte es, da die Maßnahmen einzelner Länder nicht ausreichend sind.

Meines Erachtens liegt unsere größte Chance im technologischen Fortschritt. Die Menschheit muss sich (wieder) selbst erfinden und mit neuen Entwicklungen klimaschädliche Emissionen massiv reduzieren. Dabei meine ich auch, aber gewiss nicht nur, die Fokussierung auf erneuerbare Energien, auf eine effizientere Kreislaufwirtschaft, auf den Ausbau alternativer Mobilitätslösungen und auf die Verwendung nachhaltiger Materialien wie z.B. biologisch abbaubare Kunststoffe oder nachhaltig produzierte Baumaterialien. Dazu müssen wir mehr denn je in Forschung und Entwicklung investieren!

Hoffnung spendende Keimzellen für solche Entwicklungen gibt es bereits: Beispielsweise können Carbon & Capture Storage Technologen bereits heute CO2-Emissionen aus industriellen Prozessen und Kraftwerken einfangen und speichern, um eine Freisetzung in die Atmosphäre zu verhindern. Grüner Wasserstoff, erzeugt durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen anstatt aus fossilen Brennstoffen, wird als Schlüsseltechnologie für eine kohlenstoffarme Zukunft angesehen. Die Kernfusion gilt als mögliche Lösung für den wachsenden Energiehunger. Auch umstrittenere Maßnahmen wie Geoengineering, also gezielte Eingriffe das Klimasystem der Erde, um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern, sollten zumindest weiter untersucht werden.

Letztlich können auch IT- und Digitaltechnologien helfen: Künstliche Intelligenz – ohne deren Risiken außer Betracht zu lassen – kann beispielsweise die Genauigkeit von Klimamodellen verbessern. Durch maschinelles Lernen können diese Modelle komplexe Klimasysteme besser simulieren und genauere Vorhersagen über zukünftige klimatische Veränderungen, Wetterextreme und Naturkatastrophen machen.

Auf ähnliche Weise kann KI in der Materialwissenschaft zur Entwicklung neuer, umweltfreundlicher Materialien beitragen. Virtuelle Welten können das Lernen, das Arbeiten sowie den kulturellen Austausch und Unterhaltung revolutionieren. Sie können Menschen unabhängig von ihrem physischen Standort verbinden – ohne Reisenotwendigkeit und damit geringeren Emissionen. Weiter helfen virtuelle Welten dann möglicherweise sogar dabei, komplexe Klimamodelle und Ökosysteme in einer virtuellen Umgebung zu simulieren – und Forscher verstehen und visualisieren so die Auswirkungen des Klimawandels in verschiedenen Szenarien besser.

In Zukunft können Quantencomputer komplexe Probleme lösen, die herkömmliche Computer nicht in der Lage sind zu bewältigen: zum Beispiel Forschungsarbeiten zur Berechnung komplexer Klimamodelle oder die Entwicklung neuer Materialien massiv beschleunigen. Durch hochkomplexe molekulare Simulationen wäre es dann vielleicht möglich, effizientere Solarzellen, Batterien oder Materialien zur CO2-Abscheidung zu entwickeln.

Erzählen Sie uns bitte von einem Schlüsselerlebnis, das Ihre Weltanschauung verändert hat.

Ein einzelnes Schlüsselerlebnis gibt es nicht. Stattdessen beruht mein heutiger Blick auf die Welt auf kontinuierlicher Beobachtung: Welche Entwicklungen gab es in den letzten Jahren? Welche neusten wissenschaftliche Erkenntnisse haben wir zu dem, was uns als Menschheit bevorsteht, gewonnen? Welche globalen und gesellschaftlichen Veränderungen oder neue Herausforderungen kommen auf uns zu? So ist mein heutiger Blick das Resultat vieler kleiner Momente und Erkenntnisse, die zusammen mein aktuelles Verständnis und meine Perspektive geformt haben.

Als alarmierend empfinde ich die weltweite Zunahme extremer Wettereignisse – auch in Deutschland (wie beispielsweise die Flutkatastrophe im Ahrtal). Diese Beobachtungen, gepaart mit den neusten Klimamodellen und Berechnungen sowie der Unfähigkeit uns als Weltgemeinschaft auf effektive Gegenmaßnahmen zu verständigen und diese auch umzusetzen, sind höchst beunruhigend. Doch auch die zunehmenden politischen Spannungen empfinde ich als äußerst besorgniserregend; autokratische Regierungen sowie Kriege, wie die in der Ukraine und Israel, lenken den Fokus weg von den eigentlichen Problemen, denen wir uns als Menschheit widmen sollten. Zudem beschleunigen sie Migrationsbewegungen, die wir aufgrund der weltweiten sozialen Ungleichheit ohnehin in steigendem Maße beobachten können.

Was sind die für Sie wichtigsten Parameter der Qualitativen Ökonomie? 

Die grundlegende Erkenntnis muss sein, dass ein unbegrenztes Wachstum auf einem begrenzten Planeten nicht nachhaltig sein kann. Der wichtigste Parameter ist daher die Abkehr vom Fokus auf das reine (Wirtschafts-)Wachstum. Stattdessen müssen zwangläufig ethische Geschäftspraktiken und eine nachhaltige Ressourcennutzung in den Vordergrund rücken. Das bedingt ein anderes unternehmerisches Denken und Handeln – geprägt von Verantwortung für soziale und ökologische Auswirkungen. Und dies wiederum erfordert eine neue Generation von Führungspersönlichkeiten mit einem Werte- und Zielesystem, das es erlaubt bzw. sogar verlangt, gemäß den Prinzipien der qualitativen Wirtschaft zu denken und handeln. Das gemeinsame Ziel ist ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und der Erhaltung unserer Umwelt, um so das Wohlergehen der Gesellschaft zu gewährleisten.

Was sollten wir tun, und was sollten wir lassen, um qualitative Ökonomie zu schaffen?

Wir alle sollten als Vorbilder agieren und selbst gemäß den Prinzipien der qualitativen Wirtschaft handeln. Wir sollten unsere Kräfte bündeln und auf diese Weise eine starke Gemeinschaft bilden, die unsere Ideen in die Breite trägt. Flankierend brauchen wir neue Aufklärungs- und Bildungsinitiativen sowie mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit, um mehr Mitstreiter gewinnen zu können.

Auch die Politik ist gefragt: Sie sollte neue Anreizsysteme etablieren, um den zuvor beschriebenen Fokus auf Aspekte der sozialen Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zu belohnen. Denn dann beziehen Unternehmen bei ihrer Steuerung die Ziele der qualitativen Wirtschaft auch mit ein. Wichtig ist dabei, dass wir jederzeit einem kritischen Diskurs und anderen Ansichten und Meinungen gegenüber offenbleiben.

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