Dr. Melanie Maas-Brunner

Für die grüne Transformation in der Chemie-industrie. Für eine CO2-neutrale Welt.

Melanie Maas-Brunner gehört zu den einflussreichsten Frauen in der deutschen Wirtschaft. Die Ex-Vorständin der BASF SE, die fast 27 Jahren im Unternehmen gearbeitet hat, ist davon überzeugt: Chemie ist nicht das Problem, Chemie ist die Lösung. Sie weiß, wovon sie spricht – hat die herausragende Expertin doch bereits 2006 als junge Wissenschaftlerin einen gesundheitlich unbedenklichen Weichmacher entwickelt, der auch heute noch Bestandteil von Kinderspielzeug ist. Schon damals wurde ihr für die bahnbrechende Entwicklung ein Preis verliehen: der BASF Innovation Award.

Als Chief Technology Officer (CTO) verantwortete Melanie Maas-Brunner die ganz großen Lösungen eines der wichtigsten Global Players in der Chemiebranche – und stellt sich dabei aktiv den großen gesellschaftlichen Herausforderungen von Klimawandel bis Digitalisierung. Sie ist davon überzeugt, dass die Welt mehr denn je Innovationen aus der Chemie braucht, um die begrenzten Ressourcen zu kompensieren.

Dass Chemie nachhaltiger werden muss, ist für Melanie Maas-Brunner eine Tatsache. Deshalb setzt sie sich dafür ein, neue und nachhaltige Produkte, Produktionsprozesse und Geschäftsmodelle zu fördern. Sichtbar wird dieses Engagement auch beim „Chemovator“, einer Innovationsplattform, in der BASF-Beschäftigte eigene Ideen entwickeln und sogar ausgründen können.

Ein Kurzinterview. Über die Relevanz wirtschaftlicher Entscheidungen und die besondere Bedeutung der Chemie für unsere Zukunft.

Wie sehen Sie die Welt im Jahr 2050, und was wünschen Sie sich?

Optimistisch denkend wünsche ich mir eine Welt im Jahr 2050, in der die Menschen in Frieden leben, Zugang zu Nahrung und sauberem Wasser haben, Naturkatastrophen nicht mehr tagtäglich in den Schlagzeilen sind und der globale Handel einen Wohlstandszuwachs für alle Menschen ermöglicht. Zu optimistisch oder einfach nur naiv? 

Realistisch betrachtet sehe ich eine Welt, in der wir uns bei den entscheidenden Themen nach vorne bewegt haben. Die Liste der Themen ist lang und facettenreich, eine einheitliche Definition von „nach vorne“ nicht notwendigerweise vorhanden. Themenzuständigkeiten liegen gleichermaßen bei Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die damit unvermeidbare Unterschiedlichkeit der Sichtweisen muss zu einem konstruktiven Diskurs führen, der pragmatische und kleine Lösungsansätze bevorzugt – und nicht durch Ideologisierung blockiert.

Warum macht die Zukunft ein anderes Wirtschaften notwendig?

Es wird immer wichtiger werden, dass wirtschaftliche Entscheidungen – neben politischen und gesellschaftlichen – den Weg in eine nachhaltige Zukunft ermöglichen. Die UN hat mit ihren 17 Zielen zur Nachhaltigkeit den Weg in eine nachhaltige Zukunft messbar gemacht. Wirtschaften muss uneingeschränkt auf diese Nachhaltigkeitsziele einzahlen.

Aus meiner Sicht als Chemikerin kommt der Chemieindustrie, die am Anfang fast aller industrieller Wertschöpfungsketten steht und dabei sehr energieintensiv ist, eine besondere Bedeutung zu. CO2-Reduktion durch Einsatz erneuerbarer Energien, zirkuläre, nicht lineare Wertschöpfung, zur Reduktion des Rohstoffbedarfs und der Einsatz biobasierter, nachhaltiger Rohstoffe mittels biotechnologischer Prozesse sind nur einige Beispiele, mit denen die Chemie einen signifikanten und messbaren Nachhaltigkeitsbeitrag bei der Herstellung von industriellen Produkten liefern kann. Nachhaltiges Wirtschaften gelingt aber nur, wenn Wirtschaften profitabel bleibt. Nur eine gesunde Wirtschaft kann innovieren, investieren und sich so transformieren.

Erzählen Sie uns bitte von einem Schlüsselerlebnis, das Ihre Weltanschauung verändert hat.

Anfang des Jahrtausends habe ich im Rahmen einer Studie an der Frage gearbeitet: Wird es genug Öl und Gas für die Zukunft der Menschheit geben? In der Chemieindustrie werden seit Jahrzehnten Produkte auf der Basis von fossilen Rohstoffen hergestellt. Erst aus Kohle, dann aus Öl und Erdgas. Bahnbrechende Innovationen in der Chemie haben es beispielsweise ermöglicht, Düngemittel, Kunststoffe oder Vitamine herzustellen. Mit diesen Produkten wurden Wohlstand, Ernährung und Gesundheit realisiert.

Doch aus heutiger Sicht ist die damalige Fragestellung absurd. Die richtige Frage sollte lauten: Mit welchen neuen, bahnbrechenden Innovationen kann die Chemie helfen, Wohlstand, Ernährung und Gesundheit zu ermöglichen und gleichzeitig dazu beitragen, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen? Denn inzwischen sind unzählige innovative Ideen und Technologien entwickelt worden, die auf die grüne Transformation der Chemie einzahlen können. Sie müssen jetzt allerdings konsequent zum Einsatz kommen – und dazu bedarf es an vielen Stellen noch der richtigen politischen und wirtschaftlichen Weichenstellung.

Was sind die für Sie wichtigsten Parameter der Qualitativen Ökonomie? 

Qualitative Ökonomie gelingt, wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einen einheitlichen Wertekontext schaffen.

Was sollten wir tun, und was sollten wir lassen, um qualitative Ökonomie zu schaffen?

Eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft bedeutet Transformation. Jede und jeder muss mitgenommen werden, den Weg zum Ziel kennen und bereit sein, auch als Individuum beizutragen. Politische Leitplanken müssen Stabilität bieten, aber auch Raum zur Ausgestaltung lassen. Unternehmen müssen die Transformation aktiv vorantreiben, Geschäftsmodelle überdenken und neue Realitäten bedienen. Nachhaltige Produkte werden höhere Kosten haben, der Nutzen und der Beitrag dieser Produkte muss verstanden werden. Qualitative Ökonomie muss nicht nur national, sondern auch länderübergreifend funktionieren. Transformation auf der Basis von Wohlstand muss auch eine Transformation aus der Armut heraus ermöglichen.  

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