Dr. Brigitte Mohn

Für eine nachhaltige Gesellschaft.

Frau Dr. Brigitte Mohn ist seit 2005 Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung. Dort ist sie derzeit verantwortlich für die Programme „Gesundheit“, „Digitalisierung und Gemeinwohl“ sowie für das „Zentrum für nachhaltige Kommunen“.  Zudem ist sie u.a. auch für die aus der Bertelsmann Stiftung ausgegründeten Sozialunternehmen wie die „Founders Foundation“, „Phineo“, die Stiftung „Deutsche Schlaganfall-Hilfe“ und die „Weisse Liste“ verantwortlich und die Organisation „Zivilgesellschaft in Zahlen“ und die „Bundesinitiative Impact Investing“ mit initiiert. Zu den weiteren Aufgaben zählt die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied der Bertelsmann SE & Co. KGaA und der Bertelsmann Management SE sowie Mitglied der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft mbh. Während ihrer Tätigkeit initiierte sie die Gründung des gemeinnützigen Beratungsunternehmens „PHINEO“, des Patientenportals „Weisse Liste“ erfolgte auf Initiative von Brigitte Mohn. 

Brigitte Mohn sieht Innovationsprozesse als wichtige Grundlage für Wettbewerbsfähigkeit und für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen. Jene müssten allerdings in einem ethischen Rahmen erfolgen, also keinem Selbstzweck unterliegen, sondern sollten stets mit dem Ziel der gesellschaftlichen Problemlösung verknüpft sein. Besondere Kraft schreibt sie Innovationsökosystemen zu, also einem kollaborativem Tun. 

Und Finanzmärkte müssten sich, langjähriges Postulat von Frau Dr. Mohn, zu einem qualitativen, langfristig ausgerichteten, also nachhaltigen Investitionsverständnis entwickeln. 

International setzte Brigitte Mohn im Diskurs ebenfalls wichtige Impulse. Ein Investitionsansatz, der bereits explizit eine über die Rendite hinausgehende Bewertung von eingesetztem Kapital umfasst, ist der des Impact Investings. In ihrer Rolle als Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung hat sie sich aktiv bei der Gründung der unabhängigen Global Steering Group for Impact Investment (GSG) unter damaliger Leitung von Sir Ronald Cohen eingebracht, um diesen Finanzierungsansatz auch in Deutschland bekannt zu machen. 

Als Early Stage Impact Investorin arbeit Frau Mohn mit einem eigenen Investmentvehikel, um junge, innovative Unternehmen, die einen nachhaltigen Wirtschaftswandel vorantreiben, zu unterstützen. Denn: Als Kuratoriumsmitgliedschaft im Bundesverband Deutsche Startups e. V. kennt sie die herausfordernden Rahmenbedingungen für junge Unternehmen in Deutschland. Aus ihrer Familiengeschichte heraus, war es ihr schon immer ein Anliegen, gesellschaftliche Probleme unternehmerisch zu lösen. Sie gilt als Verfechterin einer Qualitativen Ökonomie.

Ein Kurzinterview. Auch über die Art des Wirtschaftens in einer nachhaltigen Gesellschaft. Über wenige Jahre, die uns bleiben. Und was sie zutiefst im Herzen berührt.

Wie sehen Sie die Welt im Jahr 2050 und was wünschen Sie sich?

Die Welt wird zur Mitte des Jahrhunderts unter ganz anderen politischen Prämissen und den damit verbundenen Konsequenzen die Langzeitprobleme der Welt zu lösen haben. Wir haben nur noch 25 Jahre bis dahin, um einen „Genesungsprozess“ zu durchlaufen. Das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr „ruckelig“ werden. Ich bin leider davon überzeugt, dass das Leid vieler Millionen Menschen in diesen Jahren zunehmen wird. Zudem werden wir uns zu überlegen haben, welchen Wert wir zum einen dem Leben und zum anderen uns als Menschheit zuschreiben wollen. Für die Welt im Jahr 2050 wünsche ich mir die Stabilisierung einer neu entstandenen Weltordnung – mit Charakteristika von Frieden, Korruptionsdegression und der Umsetzung der in den SDG enthaltenen Schwerpunkte: Mit einem neu definierten Wertekodex, der in der Weltgemeinschaft mitgetragen wird und der die Wahrung der Menschlichkeit integriert. Nur dann werden wir die damit verbundenen Grundlagen für ein nachhaltiges Leben auf diesem Planeten für die nächsten Generationen schaffen können.

Warum macht die Zukunft ein anderes Wirtschaften notwendig?

Belastungen der bisherigen Art zu wirtschaften, führen global zu erheblichen sozialen und ökologischen Folgeschäden. Der aktuelle Ressourcenverbrauch überfordert den Planeten auf Dauer. Der sogenannte “Earth Overshoot Day” wird zunehmend früher im Jahr erreicht. Die dramatischen Folgen des menschengemachten Klimawandels und des hohen Anstiegs der menschlichen Population in den letzten Jahrhunderten zeichnen sich mehr und mehr sichtbar ab. Die Wissenschaft warnt uns seit langem, dass wir einen Wandel einleiten, gestalten und umsetzen müssen. In der Transformation hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft nimmt die Art des Wirtschaftens eine entscheidende Rolle ein. Neue Ansätze wie unter anderem die „Value Balancing Alliance und auch die „Wertebilanzierung“ von Rainer Monnet für eine ganzheitliche Wertebilanzierung und einer deutlich stärkeren Gemeinwohlorientierung von unternehmerischem Wirken können dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Diese Ansätze in ein gelebtes, zukunftsorientiertes Public Private Partnership Konstrukt einzubringen, kann im Zusammenspiel positive Synergieeffekte erzeugen, um einen wohlfahrtssteigernden Beitrag für die ganze Gesellschaft zu leisten.

Erzählen Sie uns bitte von einem Schlüsselerlebnis, das Ihre Weltanschauung verändert hat.

Ich hatte das Privileg in viele Länder reisen zu dürfen, in denen die Menschen unter bitteren Armutsbedingungen leben müssen und sich aufgrund der Rahmenbedingungen selbst nicht aus dieser Situation befreien können. Aus einer „heilen privilegierten Welt“ eines geschützten, demokratischen Wohlfahrtsstaates kommend, hat mich dies zutiefst im Herzen berührt. Seitdem ist es mir ein Anliegen, mich für mehr Gerechtigkeit und eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in unserer Welt – unter Berücksichtigung von Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Unversehrtheit der Menschen – einzusetzen.   

Was sind die für Sie wichtigsten Parameter der Qualitativen Ökonomie? 

Für mich ist dies im Kern die Umsetzung des Sustainable Development Goals (SDG) No. 17 der Vereinten Nationen (globale Partnerschaften) mit dem Ziel, ein Earth-Ecosystem aufzubauen, welches das Fundament für ein nachhaltiges Leben auf diesem Planeten ermöglicht. Darin geht es darum, die Struktur des internationalen Systems (Finanzsystem, Weltmarkt, Wissen und Technologie) darauf auszurichten, dass „Equity and Access“ zu der Erfüllung der zentralen Unterpunkte der SDG 17 ermöglicht wird. Wissenschaft, organisierte Zivilgesellschaft und institutionelle politische Organisationen müssen ihren Beitrag leisten. Aber auch und gerade die Wirtschaft, eine mit qualitativem Anspruch. Dies wird nur gelingen, wenn wir uns im Sinne eines “Collective Impacts” im Zeitalter der Daten- und Finanzökonomie für nachhaltige, lebenswerte Veränderungsprozesse einsetzen, die eine Wertschöpfung zum Erhalt des „Systems Erde“ deutlich weiter fasst.   

Was sollten wir tun und was sollten wir lassen, um qualitative Ökonomie zu schaffen?

Ein entscheidender Punkt wird darin liegen, Korruption und Greenwashing zu reduzieren und den Kampf um natürliche Ressourcen geopolitisch für viele Länder auf lange Sicht nicht mit Krieg und Abgrenzung zu verlieren, sondern mit nachhaltigen Lösungskonzepten in Multi Stakeholder-Allianzen so zu gestalten, dass Leben lebenswert überall  auf der Welt möglich ist. Auf diesem Weg sollten wir um jeden Preis vermeiden, das Fundament des Vertrauens der Menschen zueinander und zu der Führung in Staat und Wirtschaft durch Machtmanipulation und Missbrauch weiter erodieren zu lassen. Wir brauchen weltweit Mechanismen, die durch Transparenz und Rechenschaftspflicht der Führung auf allen Ebenen die Leistungsfähigkeit in ihren geliehenen Funktionen auf validierbare Ergebnisse, die den Menschen selbst und der Umwelt dienen, überprüfen lassen. Dies gilt für den Staat und die Wissenschaft als auch die Zivilgesellschaft und wiederum auch und gerade für eine neue Wirtschaft. Es braucht Mut, Haltung und Veränderungsbereitschaft, diesen qualitativen Weg zu gehen.  

Publikationen von Dr. Brigitte Mohn

  • Kommunale Jugendhilfe im Übergang: Analyse ausgewählter Bereiche der Implementation des KJHG, Dissertation, 1993, in: Universität Witten/Herdecke, DNB 943055717.
  • Werte. Was die Gesellschaft zusammenhält, 2006, Bertelsmann Stiftung, ISBN 3-89204-908-4.
  • Es gibt Werte, die für mich gesetzt sind, 2010, in: Stefanie Unger (Hrsg.): Vertrauen ist gut: Werte in der Krise oder Krise der Werte?, Frankfurter Allgemeine Buch, ISBN 978-3-89981-207-7.
  • Chancen auf Teilhabe ermöglichen, 2011, in: Stiftung & Sponsoring (2011, Nr. 03: 8-10), erreichbar unter: https://susdigital.de/ce/chancen-auf-teilhabe-ermoeglichen/detail.html.
  • Die Zukunft der Zivilgesellschaft, 2008, Bertelsmann Stiftung, Gütersloh, ISBN: 978-89204-946-3.
  • Handelsblatt Interview: „Wir haben alle Zutaten und machen nichts daraus“, erreichbar unter: Brigitte Mohn: „Wir haben alle Zutaten und machen nichts daraus“ (handelsblatt.com).
  • Was heißt unternehmerische Verantwortung heute – Reflexionen zum 100. Geburtstag Reinhard Mohns, 2021, Seite 187 ff., Bertelsmann Stiftung, ISBN 978-3-86793-940-9, erreichbar unter: Was heißt unternehmerische Verantwortung heute? (bertelsmann-stiftung.de).
Nach oben scrollen